Bundesgerichtshof bestätigt lebenslanges Wohnrecht

Bochumer Mieterpaar siegt in Karlsruhe: Vereinbart ein Vermieter beim Verkauf eines Hauses mit dem Käufer ein lebenslanges Wohnrecht für die Mieter, so handelt es sich um einen “Vertrag zugunsten Dritter”, der den Mietern eigene Rechte gegenüber dem Käufer als neuem Vermieter einräumt und insbesondere eine von diesem ausgesprochene Kündigung ausschließt.

Das hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe heute in 3. und letzter Instanz in einem Fall aus Bochum entschieden. Ein Gerther Ehepaar, dem trotzdem gekündigt wurde, kann damit endgültig wohnen bleiben.

2012 hatte die Stadt Bochum die Häuser an der Heinrichstraße privatisiert und dabei überwiegend an bisherige Mieter verkauft. Die Doppelhaushälften hatten jedoch jeweils zwei Mieter, von denen natürlich nur je einer zum Zuge kommen konnte. Die andere Mietpartei sollte durch eine Klausel im Kaufvertrag geschützt werden, die ihr ein lebenslanges Wohnrecht einräumte. Ausdrücklich ausgeschlossen wurde insbesondere eine Kündigung wegen Eigenbedarfs und wegen Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung. Nur bei eigenen schweren Vertragsverstößen sollte gekündigt werden dürfen.

Im Februar 2015 erhielt trotzdem eine der Mietparteien, ein Ehepaar in den 70ern, eine Kündigung, die auf die Sonderregelung für Zwei-Familien-Häuser gestützt wurde. Nach § 573a BGB kann ein Vermieter, der selbst in einem Zwei-Familien-Haus wohnt, dem einzigen Mieter auch ohne Angabe von Gründen kündigen, dann aber mit um 3 Monate verlängerter Frist. Die Vermieter, ein Geschwisterpaar, verloren jedoch ihre Räumungsklage sowohl vor dem Amts- als auch dem Landgericht Bochum – und heute auch die Revision in Karlsruhe. Sie hatte argumentiert, der Kaufvertrag zwischen der Stadt und dem neuen Vermieter begründe kein dingliches Recht der Mieter gegenüber dem neuen Eigentümer, sondern allenfalls Schadensersatzansprüche gegenüber der Stadt. Außerdem sei die Sonderkündigung des § 573a nicht identisch mit Eigenbedarfs- und Verwertungskündigung.

Der Mieterverein Bochum, dessen Mitglieder die verklagten Mieter sind, fühlt sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt und freut sich, dass die obersten Zivilrichter in Karlsruhe der Argumentation der Vermieterseite nicht gefolgt sind. “Ein anderes Urteil hätte für viele tausend Mieter in Deutschland eine große Unsicherheit bedeutet”, kommentiert Vereinssprecher Aichard Hoffmann. “Denn nicht nur Kommunen, auch große Wohnungsunternehmen haben bei Verkäufen Kündigungsschutzrechte für Altmieter in die Kaufverträge geschrieben. Wenn Karlsruhe jetzt im Sinne der Vermieter entschieden hätte, wäre es stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls angekommen, und keiner der betroffenen Mieter hätte sich mehr sicher fühlen können.” Wer Mietern einen erweiterten Kündigungsschutz gewähren wolle, so der Mieterverein, könne dies übrigens auch per Zusatz zum Mietvertrag tun. Hoffmann: “Dann ist es völlig Käufer-unabhängig, und der Mieter hat seine Rechte auch nach mehreren Weiterverkäufen griffbereit bei seinen Unterlagen.”

Die Tatsache, dass die Stadt die gleiche Kündigungsschutzklausel bei allen Kaufverträgen in der Heinrichstraße verwendet hat, es sich also um eine “allgemeine Geschäftsbestimmung” handelt, brachte den BGH auch nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn der Käufer einer Immobilie werde nicht unangemessen benachteiligt, wenn langjährige Mieter vor Kündigung geschützt würden. Damit werden, so der Mieterverein, auch Sozialchartas bestätigt, die sich einige größere Wohnungsunternehmen in der Vergangenheit für Verkaufsfälle – nach öffentlichem Druck – selbst auferlegt haben.

AZ: BGH VIII, ZR 109/18