Berlin enteignet?

Im Schatten der Bundestagswahl und der Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin stand am Sonntag eine dritte Abstimmung in der Bundeshauptstadt, deren Ergebnis eine kleine Sensation darstellt: Der Volksentscheid “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” fand mit 56 : 39 Prozent eine riesige Mehrheit. Auch das nötige Quorum von 25 Prozent der Wahlberechtigten wurde erreicht.

Der neue Berliner Senat ist nun aufgefordert, “alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind”.

Konkret heißt das:
“1. Private profitorientierte Immobiliengesellschaften, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen, werden nach Artikel 15 GG enteignet, um ihre Bestände in Gemeineigentum zu überführen. Genossenschaften sollen nicht enteignet werden.
2. Die betroffenen Unternehmen werden deutlich unter Marktwert entschädigt.
3. Zur Verwaltung der Bestände wird eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) geschaffen. In ihrer Satzung wird verankert, dass die Bestände der AöR nicht privatisiert werden dürfen.
4. In der AöR werden die in Gemeineigentum überführten Bestände unter demokratischer Beteiligung von Stadtgesellschaft, Mieter:innen, Beschäftigten und Senat verwaltet.”

So steht es in dem Beschlusstext, der den Berlinerinnen und Berlinern zur Abstimmung vorlag.

Erforderlich dazu ist ein eigenes Gesetz, dass die Enteignung und die Entschädigung der enteigneten Unternehmen näher regelt. Wahlsiegerin Franziska Giffey (SPD), die aller Voraussicht nach die nächste Landesregierung führen wird und selbst kein Fan von Enteignungen ist, hat zugesagt, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Ob es vom Berliner Senat auch verabschiedet wird und anschließend allen gerichtlichen Überprüfungen standhält, ist aber offen.

Betroffen von einer Enteignung wäre in Berlin rund ein Dutzend Unternehmen mit zusammen über 240.000 Wohnungen. Das größte davon ist die Deutsche Wohnen, die grade im Begriff ist, von der noch größeren Vonovia AG geschluckt zu werden. Etwa 80 Prozent ihrer bundesweit 150.000 Wohnungen stehen in Berlin.

Unterschiedliche Einschätzungen gibt es zur Höhe der zu zahlenden Entschädigung. Der Berliner Senat kalkuliert mit 36 Mrd. €, die Initiatoren mit ca. 10 Mrd. Sie erhoffen sich von einer Vergesellschaftung einen preisdämpfenden Effekt auf die Berliner Mieten, die sich in den letzten Jahren im Schnitt verdoppelt haben. Andere kritisieren, dass durch eine Enteignung kein Qudratmeter zusätzlicher Wohnraum entsteht.