Mietenwahnsinn droht auch in Bochum

Dramatische Zustände auf dem Wohnungsmarkt sieht der Mieterverein Bochum auch auf diese Stadt zukommen, wenn die Politik sich nicht endlich darauf besinnt, preiswerten Wohnraum zu erhalten statt ständig teuren Wohnraum neu zu bauen. Insbesondere das 2017 formulierte Ziel, die seit Jahrzehnten stark schwindende Zahl an preisgebundenen Wohnungen zu stabilisieren, ist völlig verfehlt worden. Der Mieterverein fordert eine radikale Kurswende in der Wohnungspolitik der Stadt.

Ein Blick auf verschiedene Wohnungsmarktzahlen in der letzten Zeit und zu erwartende Entwicklungen zeigt: die nächsten Jahre drohen dramatisch zu werden. Ärmeren Bochumern droht die Verdrängung in Armutsquartiere oder gar ganz aus Bochum raus.

Bereits 2017 stellt die Hans-Böckler-Stiftung fest: Die Mietbelastung in Bochum liegt für viele Menschen zu hoch. 25.000 für Geringverdiener bezahlbare Wohnungen fehlen. Seitdem sind die Neuvermietungsmieten weiter um rund 25 % gestiegen. Eine Wohnung im Bereich des Mietspiegelsdurchschnitts zu finden, ist zur Glückssache geworden. 8 € pro qm für unrenovierte Wohnungen aus den 50er Jahren sind keine Seltenheit mehr.

Besonders dramatisch ist die Lage bezogen auf Sozialwohnungen. Nachdem 2017 die Zahl von 180 aus der Bindung fallenden Wohnungen im Handlungskonzept Wohnen festgestellt wurde, war der Plan, jährlich 200 neue fertigzustellen. Bisher wurden – zwar mit leicht zunehmender Entwicklung – lediglich 233 gebaut (jährlich 58 !). Die Zahlen für die zugesagten Förderungen liegen bei rund 100 jährlich. Unklar ist, ob alle Bauprojekte angesichts der rasant steigenden Baupreise wirklich umgesetzt werden können. Auch die Bindungszuwächse über Modernisierungsförderung bleibt gering. 2021 waren es 48.

Die Zahl der 2017 vorgelegten Bindungsausläufe war allerdings fehlerhaft, wie sich inzwischen herausgestellt hat. In den Jahren 2018 bis 2021 fielen im Durchschnitt 365, also mehr als doppelt soviele Wohnungen aus der Bindung. Im Zusammenhang mit dem Förderergebnis 2021 bezifferte die Verwaltung Anfang April 2022 die Bindungsausläufe bis 2032 nun auf 4.500, also 450 jährlich. Die Verluste sind also viel dramatischer. Selbst rein rechnerisch steht nur noch für jeden 20sten Berechtigten eine Sozialwohnung zur Verfügung.

Trotz der aktuell vielen Geflüchteten aus der Ukraine stehen noch viele Gebäude und Wohnungen in Bochum leer. Hier muss die Stadt unbedingt mehr Engagement an den Tag legen. Viele erfasste Leerstände sind laut Einschätzung der Verwaltung nicht wirklich marktgängig. Hinzu kommen viele Wohnungen, die wegen ausgebauten Stromzähler nicht mehr erfasst werden können. Es könnte eine fünfstellige Zahl leerer und nicht mehr bezugsfähiger Wohnungen in der Stadt geben. Zur offiziellen Zahl von z. B. ca. 6.300 leerstehenden Wohnungen Ende 2019 muss also eine hohe Dunkelziffer hinzugezählt werden. Hier ist Eile angesagt, denn je länger der Leerstand anhält je eher ist eine Wohnung oder Haus nicht mehr zu retten.

Nicht zu unterschätzen sind die Wohnungsverluste durch Abrisse. So haben an verschiedenen Orten Abrisse zugunsten von Supermärkten und Hotels stattgefunden, ohne darüber erneut Wohnungen zu bauen. In anderen Fällen verzögern sich schon die Abrisse um Jahre wie in der Herner Straße im Rahmen des ALDI Neubaus. Selbst seriöse Unternehmen wie Vivawest und VBW reißen zunehmend Wohnungen ab, ohne vorher sozial und klimapolitisch zu prüfen, ob Sanierungen und Modernisierungen möglich sind. Dass es dafür Beispiele gibt, zeigt die Vogelsiedlung. Dort konnte erst auf Grund von Protesten mehrere Abrisse verhindert werden, die nun Vorzeigeprojekte sind. Wo ein Wille ist, ist ein Weg.

 

Erhalten, erhalten, erhalten!

Der Erhalt von Wohnungen sollte angesichts der Schwierigkeiten und Preise im Neubau sowie die Klimawandel das Gebot der Stunde sein. Die Stadt muss viel mehr Anstrengungen unternehmen, um Instandhaltungsstau, Leerstand, Abriss oder andere Formen der Zweckentfremdung (Umwandlung in Büros, Ferienwohnungen) zu verhindern. Dafür existieren zwei Mittel; die Wohnungsaufsicht sowie eine Zweckentfremdungssatzung.

Die Wohnungsaufsicht gehört innerhalb des Wohnraumstärkungsgesetzes bereits zu den Aufgaben der Stadt. Hiernach kann die Stadt beim Vorliegen von Instandhaltungsstau Vermieter ansprechen. Als Druckmittel existiert dabei die Möglichkeit einer Ersatzvornahme, die anschließend im Grundbuch eingetragen wird.

Eine Zweckentfremdungssatzung existiert in Bochum noch nicht. Die NRW Landesregierung hat den Kommunen frei gestellt, sich eine solche zu geben. 2012 ist die frühere landesweite Zweckentfremdungsverordnung ersetzt worden durch die Option für die Kommunen, sich selbst eine Zweckentfremdungssatzung zu geben. Damit können Formen der Zweckentfremdung (Umwandlung in Büros oder Ferienwohnung, Leerstand und Abriss) unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden. Die Stadt kann mit Ordnungsstrafen drohen. Dies ist ein Mittel, um mit Vermieter:innen ins Gespräch zu kommen und nach Lösungen zu suchen. Meistens sind es unserer Einschätzung nach Überforderungen, die zu Zweckentfremung führen. In Bochum hat eine Mehrheit des Stadtrates 2017 den Erlass einer solchen Satzung aber abgelehnt.

Wir brauchen einen weitgehenden Abrissstopp in Bochum, weil sonst viele bisher preiswerte Wohnungen durch teuren Neubau ersetzt würden. Daher sollte vor jedem Abriss genau geprüft werden, ob die Wohnung nicht sanierbar ist. Um dies erreichen zu können, wäre eine Zweckentfremdungssatzung ein gutes Mittel.

Neubau alleine ist keine Lösung. Aktuell liegen die Angebote für Neubaumieten im freifinanzierten Wohnungsbau bei rund 12 €/m², also fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt des Mietspiegels, der bereits ärmere Bochumer:innen vor Probleme stellt. Die Baukosten stiegen schon 2021 laut statistischen Bundesamt um einen Rekordwert von 15 %. Infolge der Ukrainekrise dürften diese 2022 noch höher liegen. Selber gemeinwohlorientierte Vermieter:innen werden an ihre Grenze kommen.

Es braucht also über andere Wege preiswerten Wohnraum. Zum einen müsste alles getan werden, um die Zahl geförderter Wohnungen durch Neubau und Modernisierungsförderung wieder zu erhöhen. Dazu wäre es sinnvoll, die Quote bei Neubauprojekten zu erhöhen und die Untergrenze von 2000 m², unterhalb derer bisher keine einzige Sozialwohnung gebaut werden muss, zu senken. Ganz besonders wichtig ist, die Quote des Neubaus bei der VBW zu erhöhen.

Ein Problem des Sozialen Wohnungsbaus ist generell, dass Preis- und Belegungsbindung jeweils nur für einen relativ kurzen Zeitraum gelten. Danach ist die Wohnung einer freifinanzierten gleichgestellt und die Miete kann steigen. Längere Bindungen – und weitere Regelungen – können aber beispielsweise in Erbbaurechtsverträgen vereinbart werden. Dafür hat die Stadt bereits ein Konzept erststellt, städtischen Flächen möglichst nur noch per Erbbaurecht zu vergeben. Um viele städtischen Flächen per Erbbaurecht vergeben zu können, kann es sinnvoll sein, Flächen über den städtischen Fond erst aufzukaufen.

Für all diese Maßnahmen braucht es genauere Zahlen zu den Quartieren und Bedarfen wie zu Leerständen, Bedarfen oder Mietbelastung.

Beratung für Vermieter ist ein immer wichtigeres Mittel. Dies betrifft Umbauten, Sanierungen, Modernisierungen aber auch Anträge zur Förderung. Damit sind gerade Privatvermieter häufig überfordert.

Auch ist klar: Alle diese Aufgaben sind nicht ohne mehr Personal zu bewerkstelligen. Das kostet einerseits Geld, könnte ggf. auch die interne Umschichtungen von Neubau hin zu Bestand geschehen.