Kein erweiterter Mieterschutz für Bochum

© MHKBG NRW / A.Helber

Die Landesregierung hat im Januar in einem Hauruckverfahren die Kommunen, in denen die Mieterschutzverordnung gilt, von 18 auf 57 erweitert. Die Verordnung regelt, die Gültigkeit der drei mieterschützenden Vorschriften „Mietpreisbremse“, Kappungsgrenze und Kündigungssperrfrist. Grundlage dafür ist ein in einem Gutachten festgestellter angespannter Wohnungsmarkt in der Kommune. Überraschenderweise soll Mieterschutzverordnung in Bochum weiterhin nicht gelten. Ende 2025 wird eine erneute Verlängerung der Verordnung nötig. Der Mieterverein fasst daher nochmal zusammen, warum Bochum in die Gebietskulisse gehören sollte. Ministerin Scharrenbach verweist im Zusammenhang mit der Mieterschutzverordnung zurecht auf die notwendige Überarbeitung des “Mietwucher”-Paragraphen §5 Wirtschaftsstrafgesetz, der Mietüberhöhungen ab 20 % sanktioniert.

Der Mieterverein hatte bereits im Januar 2025 seine Irritationen über die Gebietskulisse formuliert. Denn alle Statistiken der letzten Jahre wiesen den Bochumer Wohnungsmarkt als immer angespannter  aus.

Kritik des Mieterbundes NRW

Der Mieterbund NRW hat inzwischen die Grundlage für die neue Mieterschutzverordnung eingehender kritisiert. Durch die Systematik aller Indikatoren, angespannte Wohnungsmärkte im Verhältnis zum Landesdurchschnitt zu berechnen, würden die angespannten Wohnungsmärkte systematisch unterschätzt, formuliert der Mieterbund. Dem Gutachten fehlten zudem wichtige Indikatoren zur Bestimmung angespannter Wohnungsmärkte. Die verwendete Datengrundlage des im Mai 2024 fertiggestellten Gutachtens sei mittlerweile veraltet, sodass aktuelle Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten nicht abgebildet würden.

Das Gutachten der RegioKontext GmbH identifiziert die Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt anhand von fünf Indikatoren, die aus den §§ 556d, 558, 577a BGB und deren Begründungen abgeleitet wurden. Im November 2022 hatte dasselbe Institut ein Gutachten vorgelegt, das Grundlage der Baulandmobilisierungsverordnung ist. Dieses Gutachten identifiziert 95 Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkte. Die Grundlage beider Gutachten ist im Wortlaut identisch. Daher irritiert den Mieterbund, dass ein Gutachten aus dem Jahr 2022 38 Kommunen mehr als angespannte Wohnungsmärkte ausweist, als das Gutachten 18 Monate später. Denn es sei nicht davon auszugehen, dass sich die Wohnungsmarktsituation in NRW in der Zwischenzeit signifikant entspannt hat – das Gegenteil ist der Fall.

Fragwürdige Indikatoren

Hintergrund dieser neuen Einordnung sind zwei Ergänzungen gegenüber dem alten Gutachten, das die Höhe der Angebotsmieten 2022, die Dynamik der Angebotsmietpreise 2019–2022 und die Baulandpreise 2021:

– die rechnerische Mietbelastung 2020

– der SGB II-Anteil an der erwerbsfähigen Bevölkerung 2022

Die Mieterbund NRW formuliert dazu: „Die neu hinzugenommen Indikatoren sind inhaltlich schlüssig, ihre Anwendungen weisen jedoch mehrere Schwächen auf: Während bei den Indikatoren 1 bis 3 ein Bezug zum Landesdurchschnitt und damit eine Abkehr vom Gesetzeswortlaut (§556d BGB) nachvollziehbar ist, da Wohnungsmärkte in Deutschland sehr heterogen sind, eignet sich diese Begründung für die Mietbelastungsquote und den SGB II Bezug nicht. Denn die Mietbelastungsquote trifft unmittelbar, auch ohne regionale Vergleichswerte, eine Aussage über den lokalen Wohnungsmarkt. Sinnvoll wäre hier die Bezugnahme auf einen objektiven Wert.“

Als Faustregel wird eine Wohnung als bezahlbar angesehen, wenn die Bruttokaltmiete nicht mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens überschreitet. Andere Stimmen nehmen die Bruttowarmmiete als Bezug, da diese Ausgabe aufgrund steigender Heizkosten immer mehr an Bedeutung gewinnt (Holm et al 2021). Gemeinden mit einer Mietbelastungsquote unter Berücksichtigung von Nettokaltmiete und durchschnittlichen Betriebskosten, von mehr als 30 Prozent hätte damit direkt zu einer Aufnahme in die Gebietskulisse führen sollen, so der Mieterbund NRW.

Andere Studien zeigten, dass die Mietbelastung in NRW deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt, ist davon auszugehen, dass dieser Indikator die Problematik in NRW systematisch unterschätzt.

Ähnliches gilt auch für den Indikator 5. „Hier liegt NRW ebenfalls weit über dem Bundesschnitt und durch die Konzentration der Bezieherinnen und Bezieher von SGB II-Leistungen auf wenige Gemeinden, liegen von den 396 Gemeinden lediglich 59 über dem Landesdurschnitt.“

Die Hinzunahme der beiden zusätzlichen Indikatoren fügten sich nicht ins bisherige Begründungsschema ein und verzerrt die Ergebnisse systematisch zuungunsten der Mieterinnen und Mieter.

Eine weitere Verzerrung findet im Indikator 2 statt. Die Dynamik der Angebotsmieten wird anhand absoluter Steigerungen von bspw. 45 Cent pro Quadratmeter gemessen. Dies benachteiligt Städte mit einem niedrigen Ausgangsniveau aber hoher prozentualer Steigerungen. Betroffen hiervon sind bspw. Städte des Ruhrgebiets wie Bochum.

Hinzunahme aktuellerer Daten

Das Gutachten ist auf den 29. Mai 2024 datiert und am 7. Januar 2025 mit Bitte um Stellungnahme versendet. Im Juni 2024 wurden die Zensusdaten 2022 veröffentlicht und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Darin enthalten sind aktuelle und relevante wohnungspolitische Zahlen, die bis auf die Gemeindeebene aufgeschlüsselt sind.

So wäre es ab Juni 2024 möglich gewesen, das in § 556d aufgeführte Kriterium für angespannte Wohnungsmärkte „geringer Leerstand bei großer Nachfrage“ einzubeziehen. Die Zensusdaten zeigten, dass die Leerstandsquote in NRW (3,3 %) deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (4,3 %) liegt und einige Städte mit deutlich unterdurchschnittlichem Leerstand nicht in die Verordnung aufgenommen wurden, schreibt der Mieterbund.

Darüber hinaus sind seit Fertigstellung des Gutachtens neuere Zahlen zu Angebotsmieten und Baulandpreisen erschienen. Aufgrund dieser Tatsache und der 5-jährigen Laufzeit der Verordnung sei es geboten, das Gutachten zu aktualisieren, um die Analyse der lokalen Wohnungsmärkte möglichst zeitgemäß abzubilden.

Festsetzung des Schwellenwertes und Wegfall der kommunalen Prüfung

Im Gutachten zur Baulandmobilisierungsverordnung (RegioKontext 2022) konnten maximal 10 Punkte erreicht werden. Je Indikator waren zwei Punkte möglich und die Indikatoren 1 und 3 wurden doppelt gewertet. Alle Kommunen mit 5 Punkten galten als angespannt, Kommunen mit 4 Punkten wurden zu einer Stellungnahme aufgefordert. Durch die kommunale Stellungnahme konnte ein weiterer Punkt erzielt werden, was die Aufnahme in die Verordnung zur Folge hatte. Im aktuellen vorliegenden Gutachten können zu allen 5 Indikatoren bis zu 2 Punkte erreicht werden.

Der Indikator „Dynamik der Angebotsmieten“ wird mit 0,5 gewertet, sodass insgesamt 9 Punkte er-
reicht werden können. Die Gewichtung könne nicht nachvollzogen werden. Die Mietpreisbremse und die Reduzierung der Kappungsgrenze begrenzen gerade eine hohe Dynamik der Mietpreisentwicklung. Gerade auf diesen Wohnungsmärkten würden die Instrumente daher eine hohe Wirkung erzielen.

Trotz der geringeren Gesamtpunktpunktzahl wird mit 5 der gleiche Schwellenwert zur Aufnahme in die Verordnung angewendet. Die Hälfte der Punktzahl (4,5) reicht also nicht mehr zur Aufnahme in die Verordnung.

Eine andere Gruppe von Städten hat zwar einen relativ hohen Anteil SGB II-Bezieherinnen und Bezieher, habe aber durch die Verschiebung der Grenzwerte und des Ausbleibens der Anhörung von Kommunen den Status als angespannten Wohnungsmarkt gegenüber der Baulandmobilisierungsverordnung verloren. Hervorzuheben seien hier vor allem Großstädte im Ruhrgebiet wie Bochum.

Auffallend ist, dass einige Städte nicht in die Mieterschutzverordnung aufgenommen werden, obwohl sie in der Wohnraumförderung als Gebiete mit dem höchsten Kostenniveau (4) gelten (vgl. RegioKontext 2023). Auch hierzu gehört u. a. Bochum.

Fazit des Mietervereins

Der Mieterverein Bochum schließt sich daher den Forderungen des DMB NRW an. Diese sollten bei der Verlängerung der Mieterschutzverordnung Ende 2025 beachtet werden:

– Kommunen, die im vorliegenden Gutachten 4,5 Punkten erreichen, sollten ohne weitere Prüfung in die Gebietskulisse aufgenommen werden.

– Kommunen, die im vorliegenden Gutachten 4 Punkte erreichen, sollte die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden.

– Die dem Gutachten zugrunde liegende Daten sollten aktualisiert werden.

– Weitere Datenquellen, wie der Zensus 2022 und der Mikrozensus 2022, sollten zur Identifikation angespannter Wohnungsmärkte hinzugezogen werden.