Interview: Wie die Stadt Frankfurt überhöhte Mieten bekämpft

© Stadt Frankfurt am Main, Foto: JS
Überhöhte Mieten sind bundesweit ein Problem, so auch in Bochum. Als überhöht gelten nach §5 Wirtschaftsstrafgesetz Mieten, deren Quadratmeterpreis mehr 20 Prozent über dem jeweiligen Mietspiegelwert liegt. Dann kann die Kommune ein Ordnungsgeld auferlegen. Voraussetzung ist seit einem Urteil des Bundesgerichtshofes 2004 allerdings, dem Vermieter nachweisen zu müssen, dass er bewusst die Notlage des Mieter oder der Mieterin ausgenutzt hat. Das hält viele Kommunen von einer Anwendung ab. Nicht so die Stadt Frankfurt, die weiterhin gegen Mietwucher vorgeht. Zur Frage, was die Stadt konkret tut und welche Erfolge dies zeitigt, haben wir mit Cathrin Schneider vom Amt für Wohnungswesen Frankfurt ein Interview geführt.
Martin Krämer:
Unser Mieterverein ist zunehmend mit überhöhten Mieten konfrontiert. In Bochum gilt keine Mietpreisbremse. Der §5 Wirtschaftsstrafgesetz wird in Bochum bisher nicht angewendet. In Frankfurt wird der Paragraph weiterhin angewendet. Wie gehen Sie gegen überhöhte Mieten vor?
Cathrin Schneider:
Als Kommune gehen wir Hinweisen bzgl. § 5 WiStrG nach. Weiterhin warten wir aktuell auf den Erlass der Leerstandssatzung, welche dann ebenfalls von unserem Team bearbeitet wird. Außerdem startet demnächst das Projekt „Mietenmonitor“.
Martin Krämer:
Sie wenden §5 WiStrG an, obwohl dieser seit 2004 die bewusste Ausnutzung durch den Vermieter vorsieht. Gelingt es Ihnen den Vorsatz nachzuweisen?
Cathrin Schneider:
Die Fälle wurden kontinuierlich auch nach 2004 von uns bearbeitet. Mit Durchhaltevermögen und Mut wurden so immer wieder Präzedenzfälle ausgesucht und zu Gericht gebracht, bis wir ab 2017 endlich wieder Erfolge verbuchen konnten.
Martin Krämer:
Sie konnten die Ausnutzung der Notlage in diesen Präzidenzfällen also nachweisen?
Cathrin Schneider:
Wir haben in diesen Fällen nachgewiesen, dass der überhöhte Mietpreis aufgrund des Ausnutzens eines geringen Angebotes an vergleichbarem Wohnraum zustande kam. Das Ausnutzen einer Notlage ist ein Tatbestandsmerkmal des Mietwuchers, einer Straftat nach § 291 Strafgesetzbuch (StGB). Wichtiger Bestandteil unserer Argumentation ist dazu ein Gutachten zum geringen Angebot, das die Stabsstelle Wohnungsmarkt, Mietrecht, innovative Wohnprojekte im Amt für Wohnungswesen vor Jahren erstellt hat und das kontinuierlich fortgeschrieben wird. Darüber hinaus befragen wir die Mietenden als Zeugen zu den Umständen der Anmietung.
Martin Krämer:
In wie vielen Fällen konnten Sie Mietsenkungen erreichen?
Cathrin Schneider:
Für uns steht Qualität vor Quantität. Aktuell bearbeiten wir Fallzahlen im Promillebereich, überwiegend Präzedenzfälle.
Man muss hierzu sagen, dass Verfahren die vor Gericht erfolgreich zu Ende geführt wurden, nicht zwingend zu Mietsenkungen führen, die Gerichte überprüfen nicht, ob die Miete nachhaltig gesenkt wurde. Sprich die Behörde muss nach Abschluss des Verfahrens ggf. ein neues Verfahren einleiten.
Jedoch konnten wir kontinuierlich außergerichtlich Mietsenkungen für Mietende sowie Rückerstattungen zu viel gezahlter Mieten (sogenannter Mehrerlös) erreichen.
Martin Krämer:
Suchen Sie selbst nach überhöhten Mieten oder handeln Sie auf Hinweis von Mieter:innen bzw. Mietervereinen?
Cathrin Schneider:
Aktuell aus kapazitären Gründen nur auf Hinweis. Die Hinweise erhalten wir von den Mietenden selbst oder den Leistungsträgern.
Martin Krämer:
Die Bewertung der Höhe der Mietern bedarf Nachweisen in Einzelfällen. Das erfordert den Einsatz von Personal. Wieviele Stellen in Ihrer Verwaltung beschäftigen sich mit dem Thema?
Cathrin Schneider:
Aufgrund von ganzheitlicher Sachbearbeitung, unsere Abteilung bearbeitet sowohl Fälle nach § 5 WiStrG als auch Fälle des Hessischen Wohnungsaufsichtsgesetz (HWoAufG) und einem hohen Teilzeitanteil, ist die Bemessung nicht ganz klar abgrenzbar, aber round about 4 Vollzeitkräfte.
Martin Krämer:
Würden Sie anderen Kommunen empfehlen Ihrer Praxis zu folgen?
Cathrin Schneider:
Unbedingt, die Mieten steigen in Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt signifikant, daher sollten alle Mittel, die das Gesetz hergeben um Mieterinnen und Mieter vor überhöhten Mieten zu schützen, angewendet werden. Die Mietpreisbremse hatte hier leider nicht den gewünschten Effekt. Wir glauben jedoch stark daran, dass der stete Tropfen den Stein höhlt. Je mehr Kommunen mutig sind, Verfahren betreiben und ggf. Fälle vor Gericht zu bringen, desto mehr Aufmerksamkeit erlangt dieses Thema. So kann ein Umdenken in der Politik und bei den Vermietenden erreicht werden.
In Bezug auf Zahlungen von Sozialleistungen und Wohngeld ist die Verfolgung des § 5 WiStrG unseres Erachtens unabdingbar, da die Erhöhungen von z.B. Wohngeld nicht bei den Mietenden ankommt, sondern, als durchlaufender Posten, direkt der Gewinnmaximierung der Vermietenden dient.