„Wenn ich keinen hinter mir stehen hätte, würde ich das nicht aushalten“ – Interview mit Hofsteder Mietern

Seit mehreren Jahren haben Mieterinnen und Mieter aus Bochum-Hofstede Probleme mit ihrem Vermieter, der Lietmeyer Unternehmensgruppe. Bereits vor einigen Monaten hatte der Mieterverein berichtet. Der Verein hat nun einige der Mieter:innen befragt, wie sich die aktuelle Situation in dem Wohnblock darstellt und welche zukünftigen Entwicklungen sich die Initiative vorstellt. Der Mieterverein hat mit Heike (63 Jahre), Caspar (24), Ingrid (76), Daniela (47) und Beate (71) gesprochen.
Martin Krämer:
Guten Tag. Wo sind wir hier genau ?
Heike:
Also wir sind hier in Bochum-Hofstede. Das ist ein doppelter Häuserblock mit Erdgeschoss und erster Etage, insgesamt 16 Parteien. Es gibt Gemeinschaftsgrünflächen und jeder Mietpartei stehen abgegrenzte Gartenteile zu und denen in der ersten Etage steht ein kleiner Balkon zu.
Daniela:
Ich bin mit Hund eingezogen, war auch eigentlich froh, dass ich mit dem Hund so eine schöne Wohnung, also für mich gefunden habe, aber die Probleme sind dann im Winter sofort aufgetreten und ich habe auch gehört, dass die Vormieter schon die gleichen Probleme hatten. Der Bauzustand ist so wie er ist eben.
Die Vermieter haben vor meinem Einzug nur einmal gestrichen, also oberflächlich über den bereits vorhandenen Schimmel. So war zunächst für mich nichts zu sehen. Die investieren ja nichts, die nehmen nur die Miete. Für Energie muss man so viel bezahlen, weil alles raus geht durch die undichte Wohnungstür. So „verfault“ bei mir einiges. Auch weil die Zargen der Tür aus Metall sind, da sammelt sich die Feuchtigkeit. Und dann fällt es besonders auf, dass die Wohnungstüren, die gleichzeitig auch die Haustüren sind, alle undicht sind. Normalerweise sind in Häusern die Korridortüren geschützt, aber hier sind sie den Witterungsverhältnissen total ausgesetzt. Zudem, die Außenwände sind dünn. Das ist im Punkt Lebens- und Wohnqualität eine Katastrophe bei mir.
Caspar:
Ja, der Schimmel war vor allem im Badezimmer. Der Schimmel wurde zwar bereits entfernt. Aber Lietmeyer hat das immer rausgezögert, einmal kam ein Hausmeister, dann kam der nächste Hausmeister. Danach kam eine andere Firma, die erneut eine eigene Firma von Lietmeyer ist. Die haben gesagt, „müssten wir machen, im Winter aber geht das nicht“. Mit anderen Worten keiner weiß, was der andere gesagt hat. Beim fehlenden Material und der Jahreszeit ging es um die Heizung. Schimmel wurde auch im Winter behandelt.
Beate:
Ich habe hier Ende März 2024 gewohnt. Ich bin ausgezogen, weil eben die Missstände hier waren, wie sie sind. Beim Auszug wurde es noch schlimmer. Die Nebenkosten sind enorm hoch geworden, also das Dreifache der Miete. Mittlerweile komme ich so an die 6000 €, die ich laut Lietmeyer noch zahlen müsste. Ich hatte aber nur im Wohnzimmer die Heizung an und soll darüber 2000 € verbraucht haben?
Martin Krämer:
Was sind für Sie die größten Probleme?
Beate:
Das sind die hohen Nebenkosten bzw. die Nachforderungen. Die sind aber unterschiedlich.
Ingrid:
Also ich habe 1100 € offene Kosten. Wobei man berücksichtigen muss, dass wir in den letzten zwei Jahren auch keine Betriebskosten Erhöhung durchgeführt haben. Dafür, dass die Wohnungen halt zwischen 35 und 45 qm sind, stellt sich natürlich die Frage, wie soll man aus so kleinem Raum so viel verheizen? Zumal man ja auch im Bad nur ab und zu heizt, in der Küche ab und zu, im Flur heize ich gar nicht, sprich es bleibt nur noch das Wohnzimmer mit 20 m² übrig. Dass man dafür 500 € im Jahr allein für die Heizung nachzahlen muss?
Martin Krämer:
War das halt immer so hier, dass die Heizkosten so hoch waren?
Ingrid:
Nein, anfangs hatte man 50 € Heizkosten pro Monat und 50 € Betriebskosten. Und da hat man immer noch ein bisschen was wiedergekriegt. Und dann auf einmal in dem Jahr, wo angeblich ja alles teurer geworden ist, nach Kriegsbeginn, kriegte man dann plötzlich so eine hohe Nachzahlung,
Dadurch, dass man leider nicht alles durchsieht, zocken die einen dann ab bzw. man fühlt sich zumindest abgezockt. Ohne Unterstützung wüsste man jetzt als einzelner nicht, woran es lieg.
Heike:
Deswegen haben wir uns ja zusammen getan und gesagt, das lassen wir uns nicht gefallen. Entweder die erklären uns haargenau, ob man zu viel Wasser verbraucht oder zu viel Müll gemacht hat, auf dass man einwirken könnte. Die Möglichkeit haben wir nicht, deswegen haben wir uns dann an den Mieterverein gewandt. Dann wurde Lietmeyer aufgefordert, schicken Sie uns mal die Abrechnung von den Gärtnern, von den Putzkolonnen, vom Hausmeister, damit wir sehen, was die gemacht haben und was sie dafür bekommen. Dann haben wir festgestellt, die ganzen Dienstleister sind eigene Leute, also eigene Mitarbeiter der Firma Lietmeyer.
Die kriegen wahrscheinlich für ihre Arbeit einen Apfel und ein Ei. Abgerechnet wird dann zu Gunsten des Vermieters. Also, dass der Hausmeister so viel verdient, der angeblich so und so oft kommt, oder eine Putzkolonne, die dann in 10 Minuten fertig ist. Dann kriegen die im Monat 370 € von uns.
Daniela:
Ich habe jetzt gehört, dass Lietmeyer für ganz Nordrhein-Westfalen nur drei Hausmeister hat. Wir zahlen also für einen Hausmeister, der nur sehr selten vorbeikommt. Es gibt eine Liste, die ist ausgedruckt vom Vermieter, wo die Aufgaben und Zuständigkeiten des Hausmeisters aufgeführt sind. Den Aufgaben wird aber nicht oder gar nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen. Da er für ganz Nordrhein-Westfalen zuständig ist, kann er nicht in der Anzahl oder Häufigkeit da sein, wie es vermieterseits behauptet wird. Der Hausmeister ist eigentlich für Kleinarbeiten zuständig wie Glühbirne wechseln, aber komischerweise konnte er bei mir diese Kalzium-Silikat-Platten an die Wand machen (unfachmännisch), weil sich Lietmeyer keine Fremdfirma leisten möchten.
Caspar:
Wir hatten Schimmel erst im Badezimmer, dann in der Küche. Die erste Schimmelbehandlung war von einem Hausmeister so durchgeführt, dass er mit einem chlorhaltigen Mittel Schimmel „behandelt“ hatte. Die Wohnungstür wurde erst vergessen. Das war dann auch alles, was an Schimmelbeseitigung stattgefunden hat. Wir haben im Nachhinein von anderen Hausmeistern erfahren, dass das Entfernungsprotokoll ganz andere Schritte vorsieht. Es musste noch mal jemand kommen. Dann gab’s endlich Fortschritt. Aber der Prozess von dem wir hier reden, hat fast ein halbes Jahr gedauert.
Die Wohnung war gänzlich leer, ohne Boden. Wir haben erst gestrichen. Dann haben wir gemeinsam mit einem guten Freund von uns, der sich mit Laminat legen auskennt, in Eigenregie einen Boden verlegt. Das erste Mal hat sich dann die Feuchtigkeit dadurch geäußert, dass wir unsere Wohnungstüren und die ganzen Türen in der Wohnung nicht mehr zu bekommen haben, weil sich der Laminat angehoben hatte, vor lauter Feuchtigkeit. Am Anfang haben wir gedacht, okay, vielleicht haben wir einfach in Eigenregie schlecht verlegt. Dann mussten wir einen Spalt zwischen Wand und Laminat regelmäßig vergrößern, damit sich dadurch der Laminat ausweiten konnte und unsere Türen wieder benutzbar waren. Wir haben uns außerdem abends gewundert, warum die Bettdecken klamm sind.
Daniela:
Ein großes Problem ist, dass die Reaktionsgeschwindigkeit von Lietmeyer selbst katastrophal ist. Wenn man mal eine Antwort bekommt, dann nur Wochen später und dann nur ein ja, wir werden uns dann später darauf melden. Oder man bekommt einen Anruf, wo dann einmal kurz geklingelt wird, dass der Anruf auf eine Liste gesetzt wurde. So wird man auch schon mal mehrere Stunden in die Warteschlange gesetzt. Bis dann bei Lietmeyer Feierabend ist. Das heißt, es dauert dann häufig schon mehrere Tage, bis man da irgendwie durchkommt und eine Schadensmeldung abgeben kann.
Martin Krämer: Wird die Schadensmeldung dann hinreichend bearbeitet oder ernst genommen?
Caspar:
Wir haben im November festgestellt, dass unsere Heizung ausläuft. Wir mussten ab November und bis Januar alle zwei bis drei Tage einen halben Liter aus einem Eimer ausleeren, da das Heizungswasser sonst in den Laminat gelaufen wäre.
Und im November war dann auch tatsächlich der das erste Mal eine externe Heizungsfirma da, die nur gesagt hat, er könnte dort nichts tun, da der ganze Wohnkomplex sonst keine Heizung hätte. Außerdem könnte er nicht in die leerstehenden Wohnungen reinkommen und dort nicht entlüften. Wir sollten einfach die Heizung auf drei stehen lassen, dadurch wird sich die Dichtung der auslaufenden Heizung erweitern und dann würde sich das Auslaufen von selbst erledigen. Jedoch nach drei Wochen war das dann auch frustrierend. Egal wieviel wir geheizt haben, die Heizung lief trotzdem aus.
Martin Krämer:
Was für Probleme haben Sie darüberhinaus mit der Instandhaltung?
Heike:
Also um den Lesern klar zu machen, die Wohnungen hier haben die Haupteingangstür. Dort ist dann ungefähr nach knapp einem Meter eine zweite Tür. Wenn man beide verschließt und sich im Dunkeln in diese kleine Kammer reinstellt, sieht man durch die Haupteingangstür das Licht durchscheinen. Da weiß man ganz genau, dass der Wind da durchkommt und das merkt man auch in der ganzen Wohnung gerade jetzt, wo der Winter sehr kalt war.
Caspar:
Dazu muss man auch noch mal kurz erwähnen, der Hausmeister, der die Schimmelentfernung durchgeführt hatte, gesagt hat, wir dürften diese Tür, also die zweite Tür, die da hinter der Eingangstür ist, nicht schließen, weil sonst eine dauerhafte Schimmelbildung entstehen würde.
Martin Krämer:
In welchem energetischen Zustand sind die Wohnung laut Energiepass?
Caspar: Das wissen wir nicht, der alte ist abgelaufen. Ich glaube, der Zustand ist nicht so gut.
Martin Krämer:
Das heißt, Sie haben jetzt noch Nebenkostenabrechnungen, die noch nicht zu Ende berechnet sind. Aus welchem Jahr?
Heike:
Aus den Jahren 2021, 2022 und 2023.
Martin Krämer:
Wie hoch sind Ihre die Forderungen, die die Firma Lietmeyer an Sie stellt? Ihre jeweiligen Schulden, die bei bei dem Unternehmen haben?
Beate:
Bei mir sind es fast 6000. Bei unserer studentischen Nachbarin, die erst zwei Jahre hier wohnt, sind es 5000.
Ingrid:
Bei mir sind das noch 1200.
Heike:
Der Caspar hat das seltene Glück, noch keine Nebenkostenabrechnung bekommen.
Martin Krämer:
Aber da müssen Sie aber auch so ein bisschen mutig sein, erstmal auf diesen Schulden zu sitzen?
Heike:
Also, wenn ich jetzt alleine wäre, also nicht den Mieterverein im Hintergrund hätte inklusive Rechtsschutzversicherung, also wenn ich keinen hinter mir stehen hätte, würde ich das nicht aushalten. So habe ich dieses Schreiben gekriegt, „ihre Schulden gehen jetzt zum Amtsgericht“ und hatte daraufhin auch Widerspruch eingelegt.
Beate:
Also alleine, ohne den Mieterverein im Hintergrund hätte ich das nicht gemacht. So hatte mir die Rechtsberaterin des Mietervereins gesagt, haben Sie keine Angst, wenn das kommt, legen Sie Widerspruch ein und sitzen es aus. Es gibt natürlich auch Stärke, wenn wir in der Gemeinschaft sind, uns untereinander unterstützen und unsere Abrechnungen vergleichen. Die Meisten machen mit und sagen wir, wir wehren uns gemeinsam.
Martin Krämer:
Das ist das ungewöhnlich.
Heike:
Wir sind 16 Parteien, ich glaube 10 sind im Mieterverein.
Martin Krämer:
Was planen Sie jetzt in Zukunft da einfach so weiterzumachen und irgendwann wird es verjährt.
Heike:
(lacht) Wir planen den nächsten großen Bus zu nehmen und dann fahren wir Richtung Hildesheim. Das wäre gut.
Man könnte natürlich auch vorher schon nach Wattenscheid, wo ein Neubau von Lietmeyer entsteht. Da werden ja wahrscheinlich schon irgendwelche tollen Schilder aufgestellt sein, die Daniel Lietmeyer loben. Da könnten wir uns mal drunter stellen.
Oder einfach an Lietmeyer Gebäuden irgendwas aushängen. Und bei anderen Lietmeyer Mietern vielleicht mal aufrufen machen. Wenn ihr Probleme habt, könnt ihre euch bei uns melden.
Caspar:
Man könnte auch das ganze Prinzip, was ja auch hier entstanden ist, verbreiten. Wir sind relativ zeitnah auch in den Mieterverein eingetreten.
Dann ist noch ein junger Mann unter uns eingezogen, der ist auch in unserem Alter. Dem haben wir auch direkt geraten, bevor hier irgendwas passiert in der Wohnung, soll er aktiv werden. Der hat im Badezimmer noch viel mehr Probleme mit Schimmel wie wir. Das ist echt schlimm. Ich würde da nicht ins Badezimmer rein, weil es dort zu gefährlich ist. Dem haben wir auch direkt gesagt, er soll in den Mieterverein eintreten. Eine Stimme allein kann nicht viel bewirken, aber wenn dann mehrere Parteien und mehrere Wohnblöcke miteinander in die Richtung gehen, dann ist das schon wieder eine ganz andere Aussage.