Villa Kunterbunt: Zukünftig ein Wohnprojekt?
Die Nutzung der denkmalgeschützten Villa Kunterbunt in Bochum-Werne wurde heute morgen von der Stadt beendet. Vorausgegangen war den Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, die Nutzungsuntersagung des Gebäudes durch die Stadt sei rechtens. Die Zukunft ist weiterhin offen, weil es neben den juristische Auseinandersetzungen auch den Wunsch der Bewohner:innen gibt, die Villa von der Stadt zu kaufen und zu sanieren.
Entwicklung seit Oktober
Im Oktober 2025 hatte die Stadt Bochum kurzfristig eine Ordnungsverfügung erlassen, nach der das Haus bis zum 4. November vollständig geräumt werden müsse. Zur Begründung wurden erhebliche sicherheitsrelevante Mängel genannt – insbesondere beim Brandschutz und bei der Tragfähigkeit. Grundlage ist ein Gutachten vom 17. September 2025.
Von der Räumungsandrohung betroffen sind nun 17 Menschen. Ein Ehepaar mit einem Mietvertrag, sowie 15 Bewohner:innen, die im rechten Hausteil geduldet wurden. Die Bewohnerinnen und Bewohner widersprachen der Darstellung der Unbewohnbarkeit jedoch entschieden: Viele der Mängel seien nicht neu, sondern seit vielen Jahren bekannt, teilweise seit 2011 dokumentiert. Die Stadt habe es über Jahre hinweg versäumt, notwendige Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, obwohl sie als Eigentümerin in der Pflicht stand. Der Vorwurf lautete daher, dass die Stadt den eigenen Sanierungsstau nun den Bewohnerinnen und Bewohnern anlastet und eine Räumung erzwingt, um sich aus der Verantwortung zu ziehen.
Juristische Gegenwehr und Zweifel des Gerichts
Die Bewohnerinnen und Bewohner wehrten sich in der Folge juristisch und reichten über ihren Anwalt Erich Eisel beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klage gegen die Räumungsverfügung ein. In ihrer Begründung heißt es, dass die Anordnung des sofortigen Vollzugs unverhältnismäßig und rechtswidrig sei, weil Gefahrenlage und Dringlichkeit nicht überzeugend dargelegt wurden. Ein ähnliche Begründung gegen die Verfügung reichte auch der Anwalt des Mieterehepaars im linken Hausflügel ein.
Bei einem Ortstermin am 19. November lehnte das Gericht Ordnungsverfügung ab, weil diese nicht ausreichend begründet sei. Insbesondere gab es Zweifel daran, ob die Stadt die behauptete Gefährdung ausreichend belegen könne. Gleichzeitig wurde kritisiert, dass die Stadt keine tragfähigen Unterbringungskonzepte vorgelegt habe.
Sanierungen in Eigenregie aber Räumungsverfügung
Nach Bekanntwerden der ersten Räumungsverfügung begannen die Bewohner:innen mit Unterstützung befreundeter Fachfirmen den Zustand des Gebäudes zu verbessern. U.a. wurde Schimmel beseitigt und offene Wände geschlossen. Zuletzt wurden Bäume entfernt, die die Zufahrt zum Gebäude im Brandfall erschwert hätten und besonders gefährdete Wohnungen in der zweiten Etage geräumt. Dies reichte auch den Gerichten nicht, darin genug Sicherheit im Brandfall zu sehen. Allerdings wies der Bewohneranwalt Eisel darauf hin, die Stadt sei zwar berechtigt, eine weitere Nutzung zu untersagen, bis diese Gefahren von ihr als Grundstückseigentümerin beseitigt werde. Ihre Ordnungsverfügungen berechtigen Sie daher nicht, eine Räumung der Häuser von allen dort befindlichen Sachen vorzunehmen.
Solidarität und öffentliche Mobilisierung
Parallel hatte sich in Bochum eine breite Protestbewegung entwickelt. Mehrere hundert Menschen beteiligten sich an Demonstrationen und Kundgebungen in der Innenstadt, zahlreiche Initiativen und Kulturgruppen erklärten ihre Solidarität. In vielen Stellungnahmen wird betont, dass die Villa Kunterbunt nicht nur Wohnraum für 17 Menschen, sondern ein bedeutendes soziales Projekt sei, das alternative Lebensformen ermögliche und über Jahrzehnte hinweg ein kultureller und politischer Ort geblieben ist. Viele Forderungen richteten sich an die Stadt, sie solle das Gespräch suchen, statt eine Räumung zu erzwingen.
Unbewohnte Villa mit Zukunft
Mit Beendigung der Nutzung der denkmalgeschützten Villa am 18.Dezember wurde das Gebäude durch die Stadt mit Bretter barrikadiert. Bis auf weiteres kann dort niemand mehr wohnen. Um die Bewohnbarkeit wiederherzustellen, sollte die Stadt nun angehalten sein, zeitnah die Mängel beseitigen.
Die bisherigen Bewohner:innen wünschen sich das Gebäude von der Stadt zu erwerben und zu sanieren. Dafür soll bereits ein Angebot der Stadt vorliegen, das die Bewohner:innen für nicht annehmbar halten. Der Mieterverein hofft, dass eine Lösung für das Gebäude gefunden wird, die dort möglichst bald bezahlbares Wohnen wieder ermöglicht.
Hintergrund: Historische Bedeutung und gewachsene Wohnstruktur
Die Villa Kunterbunt im Bochumer Stadtteil Werne ist ein historisches Gebäude, das 1898 als Direktorenvilla der Westfälischen Drahtwerke errichtet wurde. Sie gilt als eine der ältesten durchgehend bewohnten Hausbesetzungen Deutschlands. 1981 wurde ein Teil des Hauses besetzt, um den damals drohenden Verfall zu verhindern. Die Stadt akzeptierte später die Nutzung, während andere Teile des Hauses regulär vermietet wurden. Über mehr als vier Jahrzehnte entwickelte sich die Villa zu einem sozialen und kulturellen Wohn- und Lebensraum, geprägt von Selbstverwaltung, niedrigen Mieten und gemeinschaftlicher Arbeit am Erhalt des Gebäudes.