Reform des Mietwucher-Paragrafen

Der Deutsche Mieterbund (DMB), Dachverband von rund 320 Mietervereinen in ganz Deutschland, sieht den Mietwohnungsmarkt vor dem Zusammenbruch und fordert eine Reform des Mietwucher-Paragrafen. Das sagte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten bei einer Anhörung in Berlin.

„Die Entwicklungen der Mietpreise, insbesondere der Neu- und Wiedervermietungsmieten, hat spätestens seit Anfang 2023 mit zweistelligen Steigerungsraten eine unkontrollierte Dynamik angenommen. Es ist daher dringend notwendig, gegen unzulässig hohe Mieten endlich effektiv vorgehen zu können, um den schwarzen Schafen unter den Vermietenden so das Handwerk zu legen – die Reform des sog. Mietwucherparagraphen ist absolut überfällig“, kommentiert der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, den Entwurf eines Gesetzes zur besseren Bekämpfung von Mietwucher (BT-Drs. 20/12391) in der heutigen öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages.

Der bestehende Rechtsrahmen des Mietrechts schützt Mieterinnen und Mieter weder ausreichend vor überhöhten Neu- und Wiedervermietungsmieten, noch vor zu hohen Mietpreissteigerungen im laufenden Mietverhältnis. So sind laut BBSR die Mieten inserierter Bestandswohnungen in Deutschland im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im Durchschnitt um 7,6 Prozent gestiegen – auf 10,21 Euro pro Quadratmeter nettokalt. In kreisfreien Großstädten über 500.000 Einwohner stiegen sie sogar um 11 Prozent auf 13,30 Euro je Quadratmeter nettokalt. Vor dem Hintergrund der umfassenden Wohnungs-, Mieten- und Baukrise kann auch keine Trendänderung prognostiziert werden, im Gegenteil, nahezu alle Expert:innen gehen von weiter steigenden Mietpreisen aus. „Das führt bei einer Trendfortsetzung mit zweistelligen Mietpreissteigerungen letztlich zum Zusammenbruch des Mietmarktes, wenn sich der Gesetzgeber nicht endlich zu einer effektiven Begrenzung von Mieterhöhungsspielräumen durchringt. Denn die hohen Angebotsmieten von heute, fließen in die Mietspiegel und damit in die Bestandsmieten von morgen ein“, so Siebenkotten.

Die im Koalitionsvertrag vorgesehene minimale Absenkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von 15 Prozent auf 11 Prozent in angespannten Wohnungsmärkten ist nach Auffassung des Deutschen Mieterbundes bei Weitem nicht ausreichend, um Mieterinnen und Mieter in Deutschland vor immer weiter steigenden Mieten und den damit verbundenen enormen Wohnkostenbelastungen wirksam zu schützen. „Für viele ist Wohnen zum Armutsrisiko geworden. Hinzu kommen die drastisch angestiegenen Heiz- und Warmwasserkosten. Die Dynamik der aktuellen Mietpreisspirale muss dringend durch die Reaktivierung des Mietwucherparagraphen gestoppt werden. Wir begrüßen daher ausdrücklich den vorliegenden Gesetzesentwurf zur besseren Bekämpfung von Mietwucher und fordern die zügige Umsetzung“, erklärt Siebenkotten.

 

Zur Sache

Der sogenannte Mietwucher-Paragraf behandelt eigentlich nicht Wucher, sondern die “Mietpreisüberhöhung” – eine Ordnungswidrigkeit. Es handelt sich um § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes (WiStG). Er lautet:

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.

(2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten sechs Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (das höchste in Deutschland für Mietrecht zuständige Gericht) hat den Paragrafen zu einem zahnlosen Tiger gemacht. Der BGH interpretiert die Worte “infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen” nämlich so, dass der Vermieter von der Mangellage gewusst und dieses Wissen bewusst und absichtlich dazu ausgenutzt haben muss, eine überhöhte Miete zu verlangen – und das muss der Mieter beweisen! Da dies nahezu unmöglich ist, ist der § 5 WiStG seit vielen Jahren nicht mehr zur Anwendung gekommen.

Der Deutsche Mieterbund fordert seit Jahren eine Reform, die die Bundesregierung jetzt auf den Weg gebracht hat. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Wörter „infolge der Ausnutzung“ durch die Wörter „bei Vorliegen“ zu ersetzen. Das klingt nach einer geringfügigen Änderung, ist aber ein bedeutender Unterschied: Es kommt dann nur noch darauf an, dass die Mangellage objektiv vorliegt. Der Mieter muss nicht mehr beweisen, dass der Vermieter das auch gewusst und absichtlich ausgenutzt hat. Außerdem soll die Obergrenze für das Bußgeld von 50.000 auf 100.000 € verdoppelt werden.

“Richtiger” Mietwucher wird in § 291 des Strafgesetzbuches (StGb) behandelt. Es handelt sich also nicht um eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat, die mit Gefängnis bis zu 3 Jahren – in schweren Fällen bis zu 10 Jahren – geahndet werden kann. Mietwucher liegt vor, wenn die verlangte Miete um mehr als 50 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Auch hier muss der Vermieter eine persönliche Notlage des Mieters ausgenutzt haben.